„Wie die Pneumologie zu mir kam“
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Friedrich Kummer anlässlich seines 80. Geburtstags
Wie sind Sie zum Medizinstudium gekommen? Zweifellos durch meinen geliebten Vater. Dieser – ein Jagic-Schüler und Studienkollege K. Fellingers – wurde 1934 mit 30 Jahren als Primarius für Interne an das Krankenhaus Krems/Donau berufen, wo er bis 1969 wirkte und bis 1975 eine Kassenpraxis betrieb. Sein hohes Berufsethos und seine breiten kulturellen Interessen machten ihn zu einem Vorbild – nicht nur für mich und meine drei Geschwister. Seine abgrundtiefe Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus polarisierte sein Umfeld, wobei seine fachliche Kompetenz für seine allgemeine Akzeptanz ausschlaggebend war. Wer und was hat Sie am Beginn des Studiums geprägt? Meine wesentliche Prägung war in dieser Zeit wohl nicht nur das Studium, sondern die Bekanntschaft mit einer Semesterkollegin, die nach unserer Promotion als meine Ehefrau (und Mutter unserer vier Kinder) mein Leben bereichert. Wann und wie sind Sie zum ersten Mal mit der Gesellschaft der Ärzte in Kontakt gekommen? Im Jahre 1958 famulierte ich im Kaiserin-Elisabeth-Krankenhaus auf der Internen Abteilung (Prof. Klima). Gleichzeitig nahm ich die Möglichkeit wahr, an einer Erhebung des postoperativen Langzeitverlaufs von Struma-Patienten mitzuarbeiten. Dies schlug sich einige Zeit später in meiner ersten Publikation – unter der Ägide von Prof. Paul Fuchsig – nieder, der die Arbeit – mit mir als Co-Autor! – als Mitteilung in der Gesellschaft der Ärzte referierte (1960). Von da an zogen mich dieses Gebäude, die Bibliothek und der hier herrschende Geist in ihren Bann. Paul Fuchsig lud mich zur chirurgischen Fachausbildung ein, doch waren meine Pläne zu dieser Zeit zu nebulos, als dass ich darauf eingehen konnte. Unser Kompromiss: Ich solle nach der Promotion irgendeine Fachausbildung an der Uni-Klinik beginnen – das Weitere werde sich schon finden. Wie sind Sie zur Pneumologie gekommen? Eigentlich bin nicht ich zu ihr, sondern sie (die Pneumologie) ist z u m i r gekommen. Meine Position war einigermaßen prekär: Der gute Wille für die neue Aufgabe war da, aber da gab es keinen Oberarzt, der sich mit dem Gewicht seiner Persönlichkeit für die Sache (und für mich!) beim Chef hätte einsetzen können. Dazu kam, dass die Fa. Siemens (um teures Geld aus dem Jubiläumsfonds der Nationalbank) der Klinik nur den zentralen, zwar voluminösen Steuerungsteil, nicht aber den ganzen Messplatz geliefert hatte – wohl in der schlauen Erwartung, dass eine entsprechende Nachbestellung sofort erfolgen würde. Ab dem Sommer 1967 war dann „die Lunge“ an der Klinik bereits heimisch geworden, wobei sie sich hauptsächlich über das Funktionslabor definierte. Es dauerte aber nicht lang, und das Funktionslabor wurde zu einer ersten Lungenambulanz, wo auch die Röntgenbilder visitiert und Therapien empfohlen wurden. Ein weiterer Zuwachs an „Konturen“ wurde durch den „Arbeitskreis für Pulmologie“ erreicht, wobei sich – auf Anregung von Felix Mlczoch – die Lungenabteilungen der Stadt konstruktiv beteiligten. Die behandelten Themen zeigten immer mehr die Verflechtung der Pneumologie mit der Inneren Medizin auf. Dies ist auch aus den Publikationen ersichtlich, die in den Folgejahren entstanden, bei denen es neben landläufigen pneumologischen Themen auch um „die Lunge/die Atmung und…“ (Herz, Niere, Kollagenosen, Anämie, Infektiologie, Diabetologie, Endokrinologie, Sport, Schlaf, Granulomatosen, Thoraxtrauma, Trachealstenose etc.) ging. Einen besonderen Platz nahm das Interesse für die Atmung bei thorakalen Skoliosen und die diesbezügliche Zusammenarbeit mit der orthopädischen Klinik (F. Meznik) ein, eine Thematik, die auch den Gegenstand meiner Habilitation bilden sollte (1975). Für diese sehr bunte Lern- und Ausbildungsphase – besonders 1965 bis zu Habilitation 1975 – bin ich allen Lehrern und Weggefährten zu großem Dank verpflichtet und hoffe, ihnen keine Schande gemacht zu haben. Wie ging es nach Ihrer Habilitation und der Emeritierung von Prof. Fellinger weiter? Prof. Geyer als der Nachfolger von Prof. Fellinger (1976) sah die weitere Spezialisierung der Inneren Medizin voraus und trug dem Rechnung, als er auf einem strikten Konzept der allgemein-internistischen Grundausbildung bestand, bevor die jeweilige Subspezialisierung begann. So hatte ich – in seinem Sinne – bereits jahrelange Vorarbeit geleistet, sodass die Einrichtung einer eigenen Pulmologie am Neuen AKH (getragen von meinen ehemaligen Mitarbeitern Christian Burghuber, Meinhard Kneussl und Paul Haber) leicht von statten ging. Sie wurden 1980 als Nachfolger von Prof. Mlczoch an das Wilhelminenspital berufen; was erwartete Sie dort? Ich habe die Abteilung noch mit etwa 180 Betten auf drei Ebenen übernommen und 23 Jahre später – dem allgemeinen Trend folgend – mit weniger als 100 Betten auf zwei Ebenen verlassen. Es heißt, die Musik spiele in Ihrem Leben eine große Rolle! Eine musikalische Begabung liegt in der Familie meiner Mutter und wurde auch vielfach professionell genutzt. Ich selbst absolvierte die Wiener „Hochschule für Musik und darstellende Kunst“ im Fach Lied und Oratorien bei Prof. Erik Werba (parallel zur Vorklinik; Reifeprüfung 1960 mit Auszeichnung). Ich war in vielen in- und ausländischen Konzertsälen zu Gast, meist mit Ensembles wie Musica antiqua, Clemencic-Consort, Convivium musicum, viele Male auch mit „die reihe“. Die öffentliche Konzerttätigkeit ging erst mit der Habilitation bzw. mit der Berufung an das Wilhelminenspital allmählich ein Ende. Für Fortsetzung der Tradition des professionellen Musizierens sorgt eine meiner Töchter (Mitglied der Deutschen Oper Berlin, dzt. Baby-Pause). Wie sehen Sie die Gesellschaft der Ärzte heute – und in Zukunft? Gedanken über die Zukunft sind notwendigerweise in der Gegenwart verwurzelt. Luftschlösser zu bauen ist reizvoll, aber schlecht kalkulierbar. Professor Kummer (geb. 17.6.1938) war lange Vizepräsident (2001-2015) und 2. Sekretär (1991-2001), leitete die Zertifizierungskommission und war durch seine Kompetenz und menschliche Ausstrahlung stets ein ruhender und vermittelnder Pol. 2008 wurde ihm von Präsident Tragl eine der höchsten Ehren der Gesellschaft der Ärzte in Wien, die Ehrenmitgliedschaft, verliehen. Seit 2017 ist Prof. Kummer auch Ehrensenator der Gesellschaft. |