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Geschichte der Wiener „American Medical Association/Society“, Gesellschaft der Ärzte

Hunderte amerikanische Jungärzte jährlich zur Fortbildung in Wien

Zur Geschichte der Wiener „American Medical Association/Society“

Abstract

Schon Ende des 19. Jahrhunderts war Wien ein Magnet für amerikanische Ärzte. William Osler und seine Gründerkollegen von Johns Hopkins, Harvey Cushing und viele andere fühlten sich wegen der unter Rokitansky und Škoda einsetzenden Ausdifferenzierung der Fächer von der Habsburgermonarchie angezogen, die sich als medizinisches Mekka Europas etablierte. Dort begeisterten Kliniker wie der Ophtalmologe Ernst Fuchs und der Neurologe und Nobelpreisträger Wagner-Jauregg die Amerikaner mit ihrer Expertise und Didaktik, so dass der Mikrobiologe Armand Ravold 1904 die American Medical Association (AMA) of Vienna gründete. Diese Vereinigung warb in den USA für englischsprachige Lehrveranstaltungen an der Wiener Fakultät, nach deren Absolvierung  ein Zeugnis ausgestellt wurde. Von einem repräsentativen Clublokal nahe dem Allgemeinen Krankenhaus wurden die Ärzte und ihre Angehörigen sozial betreut, verfügten über eine Bibliothek und über einen jeweils gewählten Vorstand  („orientation men“ und „womens auxilliary“) nahmen die Amerikaner Anteil an den Geschehnissen des Kaiserreiches, später der Republik. Durch die zwei Weltkriege jeweils für einige Jahre unterbrochen, existierte  die Vereinigung welche ab 1953 American Medical Society (AMS) genannt wurde, fast 100Jahre. In ihrer letzten Funktionsperiode die vom Bostoner Alt-Österreicher Dr. Arthur Kline geprägt  und mit dem Chirurgen Hans Finsterer und dem Internisten Karl Fellinger verbunden war, kamen die postgraduellen Teilnehmer nicht mehr aus den USA, welche nur mehr als Veranstalter fungierten, sondern aus Entwicklungsländern des Mittleren und Fernen Ostens.

1. Wien, Mekka der Medizin

Einer der Großen der amerikanischen Medizin, der Internist Sir William Osler attestiert Wien einen großen Einfluss auf die Entwicklung in den USA. Hat der Zustrom ausländischer Ärzte schon mit dem Transfer der Errungenschaften vom niederländischen Leyden in die k.& k. Metropole durch Gerard van Swieten 1754 begonnen, so begann Wiens Attraktivität als didaktisches Zentrum sich vor allem in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts zu festigen.

Im Europa der Neuzeit waren Verschiebungen der „Epizentren“ medizinischer Errungenschaften festzustellen. Es begann mit Norditalien, Padua und Bologna, dann gewann Leyden mit Boerhaave und de Haen an Bedeutung, es folgte London mit Hunter und 1800-1840 hatte die Welle der Exzellenz Paris erreicht. 1853 schrieb George Doan, dass in Wien nur 5 Amerikaner zu postpromotionellen Ausbildung weilten, während es in Paris 3-400 waren (Bonner TN., Becoming a physician, NY., Oxford UP 1995, 191). Dabei wäre das Lehrangebot in Laboratorien und Seziersälen Wiens viel besser als an den überfüllten Stätten Frankreichs.

Die Anziehungskraft der 2.medizinischen Schule Wiens sehen die Amerikaner in der Strahlkraft ihrer Protagonisten. Die früh eintretende Spezialisierung etwa der Ophtalmologen Beer und Jäger, das Zusammenspiel des Pathologen Rokitansky und des Klinikers Škoda, das einen vollständigen Umschwung im Konzept des Krankheitsgeschehens und dessen klinischer Manifestation mit sich brachte, machten die Donaumetropole zu einem überlegenen Zentrum. Dasselbe galt für den Dermatologen Hebra, die Ophtalmologen Oppolzer und Arlt, den Hirn-Anatomen Meynert, den Pionier der Magen-Darmchirurgie Billroth, die Kliniker Bamberger, Nothnagel und Neusser, den Entdecker des Kindbettfiebers Semmelweis - dessen Thesen durch Oliver Wendel Holmes später voll bestätigt wurden -, der aber nichts desto weniger im Narrenhaus starb, Czwermak der den Kehlkopfspiegel erfand, sowie den Otologen Politzer und den Laryngologen Türck. Ein weiterer Faktor war die für Ärzte aller Spezialisierung wichtige Pathologie, welche durch das im Habsburgerreich bestehende Gesetz, dass jeder in einem Spital verstorbene Patient obduziert werden müsse, den ausländischen Ärzten viel Sektionsmaterial bot.

William Osler verbrachte 1874 vier Monate in Wien, verglich die diagnostischen Qualitäten Bambergers mit denen von Traube in Berlin - zum Nachteil des Ersteren - genoss den guten Wein im Riedhof in der nahen Schlösselgasse und war sicher ein Wegbereiter für zahllose seiner US Kollegen, die ihm nachfolgen sollten.

Osler war aber auch Teil einer amerikanischen Institution, der Johns Hopkins University in Baltimore. Der  Maler John Singer-Sargent hat die „great four“ auf einem Gemälde der Nachwelt erhalten. Auch die anderen drei Gründerväter dieser US-Schlüsseluniversität hatten Wien besucht. Der Gynäkologe Howard Atwood Kelly arbeitete 1911 und 1913 bei Wertheim zur Vervollständigung der Methode der radikalen Hysterektomie. Der Pathologe William H.Welch studierte 1920 bei Waldeyer und Klebs. Nach Welch wurde der Erreger des Gasbrandes benannt (zusammen mit Fränkel).

William S. Halsted, der Leiter der Chirurgie am Johns Hopkins war an der Entdeckung von Cocain als Lokalanästhetikum beteiligt, dessen Verwendung durch Koller und Freud initiiert wurde. Halsted traf 1885 in Wien den Billroth-Schüler Wölfler, um eine geeignete Injektion des Mittels zu ermöglichen.

Ernst Fuchs, der Nachfolger von Jäger an der Wiener Augenklinik, hatte bereits 1874 als Assistent von Arlt begonnen, Vorlesungen in englischer Sprache für die Gastärzte anzubieten. Der Vorstand der neurologischen Klinik, Wagner-Jauregg, sah schon 1896 die Notwendigkeit, ausserplanmässige Lehrveranstaltungen abzuhalten und wurde so zum Begründer des Kursbüros der Fakultät für Ferialkurse, welche später vom Pathologen Rudolf Maresch weitergeführt wurden (WKW 19,384).

Angesichts dieser Entwicklungen war es nicht überraschend für Wien, dass Ralph A. Reynolds aus San Francisco und auch andere seiner Landsleute die Stadt als „Mekka für Studenten aller Länder“ bezeichneten (AM 1928, 531). Reynolds, auch ein politischer Aktivist der Westküste, diente als Präsident der späteren American Medical  Association (AMA) in Wien, versuchte an Gefangenen von St. Quentin zu beweisen, dass Kriminalität mit der Schilddrüsenfunktion zusammenhing - eine These die er in Wien bei Breitner zu erhärten suchte - und schrieb ein Buch über Julius Tandler, Wiens bekannten Politiker-Anatomen. 1938 riet Reynolds zur Geduld, als der Vorschlag kam die AMA wegen der Nazi-Übergriffe nach London zu verlegen. Er scheint also durch das vorher Mitgeteilte berufen, als Anwalt der Gäste, jener vielen Kollegen die von jenseits des Atlantik ihre medizinische Ausbildung zu ergänzen suchten, mitzustimmen.

2. Die Gründerzeit

Der Ansturm der fortbildungswilligen Amerikaner hielt ungebrochen an. Fuchs berühmtes Lehrbuch war mittlerweile in englischer Sprache verfügbar und an der 2. Augenklinik des späteren Gründers der Wiener Klinischen Wochenschrift - mit vielen Berichten über die AMA - organisierten sich schon 1879 dreiundzwanzig US-Gastärzte zu einer Interessensgemeinschaft. Schon damals stand der geniale Kommunikator Fuchs mit bedeutenden Amerikanern wie Adolf Barkan, einem Ophtalmologen der Lilan-Stanford Universität, Harvey Cushing dem Neuro-Chirurgen aus Harvard, Charles de Mayo, dem Gründer der gleichnamigen Klinik in Rochester und auch mit Osler in engem Kontakt. Als Wagner-Jauregg 1895 in Wien Dekan wurde, organisierte er in seinem Fach zusammen mit Economo monatliche Kurse, welche allein in diesem Jahr von 327 postgraduellen Teilnehmern besucht wurden.

Alle diese Möglichkeiten waren in den Staaten weitgehend unbekannt. Das „Journal of the American Medical  Association“ das nicht nur eine Namensähnlichkeit mit der zu entstehenden Wiener Organisation aufweisen, sondern dann über deren Aktivitäten in guten und schlechten Zeiten (1938) berichten sollte, konnte nicht wirklich über die sich an der Donau bietenden Möglichkeiten der ärztlichen Vervollkommnung informieren.

All dies bewog den 1903 in Wien zur Fortbildung weilenden Bakteriologen Armand Ravold aus St.Louis, Miss. bei der alljährlichen Thanksgiving-Party seinen 35 anwesenden Kollegen in einem Toast die notwendige Gründung einer Vereinigung anzukündigen. Schliesslich wurde am 6. Februar des darauffolgenden Jahres im Hotel Hammerand in der Schlösselgasse von einer Gruppe von 80 US- Ärzten der Verein „American Medical Association of Vienna“ offiziell errichtet mit Ravold als erstem Präsidenten. Er hatte öfter Europa besucht und bei Robert Koch Testkeime gekauft, um nachzuweisen, dass der Mississippi Krankheitskeime von Chicago in seine Heimatstadt St. Louis beförderte. Da er viel zu viele erwarb, wurde seine Seriosität in einer Pressekampagne erschüttert und er musste sich wegen verunreinigtem Diphterie-Serum einem Untersuchungsausschuss und einem Gerichtsverfahren stellen.

Ralph P. Daniels wurde Vizepräsident und Frederic G. Harris Sekretär und Schatzmeister (beide aus Chicago). Harris wurde nach seiner Rückkehr Chef der Dermatologie im Cooks County Hospital. Seitens der Fakultät waren außer Fuchs und Wagner-Jauregg noch der Internist Norbert Ortner (damals noch Kaiser Franz Josefspital), der Dermatologe Ernst Finger und der Pathologe Maximilian Sternberg als Lehrer der AMA besonders aktiv.

Die Vereinsziele waren:

  • die Förderung gesellschaftlicher Kontakte der in Wien Studierenden
  • Unterstützung wissenschaftlicher Arbeit der Mitglieder
  • die Betreuung der Neuankömmlinge und Vermittlung von Kursen

 

Die Treffen waren zunächst jeden zweiten Samstag bei einem Dinner und nachfolgendem Vortrag eines Professors, das Vereinslokal war zunächst das ehemalige Cafe Klinik (Spitalgasse/Lazarettgasse) und ab 1910 das Cafe Wien in der Schlösselgasse 28.

Die Organisation veröffentlichte ihre Statuten, Namen des Vorstandes, das Kursangebot sowie Inserate von Pensionen oder einschlägigen Geschäften „english speaking“ in sogenannten “Blue Books“. So konnten englischsprachige Lehrveranstaltungen schon im Voraus in den USA beworben werden. Diese Kurse - sogenannte „book courses“ - beschränkten die Zahl der Teilnehmer und wurden vorbestellt durch eine Eintragung in einem großen Buch, am Sitz des AMA aufliegend. Alle Bewerber mussten einen gültigen medizinischen Abschluss einer anerkannten Universität vorweisen. Die Kurse in englischer Sprache wurden ausschließlich von der AMA administriert. Außerdem konnten noch Kurse und Praktika auf Deutsch absolviert werden, diese unterlagen jedoch ausschließlich der Kontrolle des Kursbüros der medizinischen Fakultät. Sehr empfohlen wurden auch Deutschkurse, da betont wurde, dass in klinischen Fächern ein verbales Verständnis der Patienten unerlässlich erschien.

Zunächst war die Mindestdauer für die Erlangung eines offiziellen Zeugnisses der Fakultät drei, später vier Monate. Tatsächlich war ein zweijähriger Aufenthalt die Ausnahme, ein halbjähriger stellte den Durchschnitt dar. Zur selben Zeit waren meist zwischen 200 und 400 Teilnehmer (Familienangehörige eingeschlossen) in der Metropole anwesend.

Das Angebot an Kursen und Praktika beinhaltete das spezielle Thema innerhalb der  Fachgebiete, die Höchstzahl der Teilnehmer, die Kursgebühr sowie Zeit und Ort der Abhaltung und umfasste natürlich die Prominenz der damaligen Fakultät.

Vortragende / Kursleiter in der Zeit der Monarchie 

All diese Kursleiter waren entweder Ordinarii, deren Assistenten oder habilitierte ehemalige Mitglieder der Fakultät, welche nunmehr an anderen Krankenanstalten Wiens tätig waren.

Einen Schwerpunkt stellten die Sektionen dar, welche seitens der AMA nicht nur von Pathologiestudierenden besucht wurden. Begonnen wurde am pathologisch-anatomischen Institut jeweils um 8 Uhr morgens. Nebst einer genauen Sektionsfolge lagen sogenannte „Totenkarten“ auf mit Angaben von Aufnahme- und Todeszeit, klinischer Diagnose und dem Namen des zuständigen Klinikers. Zur Sicherheit hatte diese Karte eine Entsprechung in Form des Fußzettels an der großen Zehe. Strengstes Stillschweigen wurde im Seziersaal verlangt.

Das nach mindestens 3-monatiger Studienzeit ausgestellte offizielle Zeugnis der Wiener K. & k. medizinische  Fakultät trägt die Insignien der Monarchie und wurde vom Dekanat nach Einreichung der ausländischen Promotionsurkunde und der einzelnen Kursbestätigungen ausgestellt.

Auf dem vorliegenden Zeugnis aus dem Studienjahr 1913 bestätigt der damalige Dekan Hans Horst Meyer dem Dr. William F. Bonner aus Pennsylvania, dass er an der Fakultät inskribiert war und die aufgeführten Vorlesungen, klinische und operative Kurse (fast 30 an der Zahl) regelmäßig besucht hatte.

Der Pharmakologe Meyer, der 1904 aus Marburg nach Wien berufen worden war, scheint in der vorliegenden AMA Kursverzeichnissen nicht auf, hatte aber schon 1895 in Johns Hopkins gelehrt und war in Kontakt mit dem Neurochirurgen Harvey Cushing, welcher in Wien den Endokrinologen Alfred Fröhlich - den Entdecker des gleichnamigen Syndroms - besuchte.

Cushing war auch Mitglied der sogenannten „Rush Tour“ von Ärzten aus Chicago 1912. Diese Gruppe von 65 prominenten Ärzten und Chirurgen, darunter Arthur Dean Bevan, John B. Murphy und Mayo, reisten zu deutschen Kliniken, zu Menge in Heidelberg, Kronig in Freiburg und Paul Ehrlich in Frankfurt und auch nach Wien. Hier fand der Steinhof  - als Komplex für ein neues Behandlungskonzept für psychisch Kranke - ihr besonderes Interesse, die Kollegen besuchten die Kliniken Eiselsbergs, Hocheneggs und Wertheims im allgemeinen Krankenhaus und den Urologen Otto Zuckerkandl im Rothschildspital. Zur Entspannung stand dann das Schwefelbad in Baden bei Wien am Programm, besonderes Interesse  der Gruppe erregten jedoch die eben entstehenden „Neuen Kliniken“.

Neben der Reform des Medizinstudiums 1905 war die Errichtung eines neuen Teils des Allgemeinen Krankenhauses in den darauffolgenden Jahren ein weiterer Anreiz, die Wiener Errungenschaften genau zu studieren. Die medizinische Klinik unter von Noorden, die Kinderklinik von Clemens von Pirquet und die Laryngologie mit Ottokar Chiari an der Spitze waren an die Lazarettgasse/Spitalgasse übersiedelt. Pirquet, der schon in Johns Hopkins gelehrt hatte und 1911 die Kinderklinik völlig umorganisiert hatte, faszinierte mit seinem Dachgarten die amerikanischen Ärzte. Schließlich zog der Doyen der AMA, Wagner-Jauregg, mit seiner Klinik an die Spitze des hügelförmigen Areals, dem früheren Irrenhausquartier, das auch ein Kloster beherbergt hatte. Von besonderem Vorteil erschien die Nachbarschaft des nur durch die Spitalgasse getrennten pathologischen Instituts von Weichselbaum. Chirurgische, HNO- und die Geburtshilfliche Abteilung Schautas brachten eine Entlastung des alten AKHs in der Alserstrasse, dessen über 100 Jahre alte einstöckige Bauweise eine moderne Krankenbehandlung und medizinischen Unterricht kaum möglich machte.

In den neuen Kliniken fanden die funktionell im Pavillonsystem angelegten Bettentrakte, Ambulatorien, Ambulanzen und Hörsäle, deren Errichtung 2 Millionen Dollar gekostet hatte, die uneingeschränkte Bewunderung der Gäste. Dass sogar Studenten für das sogenannte geburtshilfliche Internat bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten, beeindruckte Osler, die Gruppe aus Chicago und wohl auch die „postgraduates“ der AMA.

5.000 Amerikaner sollen bis zum 1. Weltkrieg diese hervorragenden Möglichkeiten in Anspruch genommen haben.

Die Ereignisse in Sarajewo am 28. Juni 1914 waren auch von den Kollegen als dramatisch wahrgenommen worden, nachdem sie das Throhnfolger-Paar noch Tage vorher beim Praterkorso ganz aus der Nähe bewundert hatten. Der 4. Juli - der amerikanische Unabhängigkeitstag - wurde noch ganz unbeschwert im Kurhaus Baden gefeiert und in Anwesenheit des AMA Präsidenten HM MacCarthy aus Spikane, Wash. das „Star Sprangled Banner“ gesungen. Im August war es für Ausländer in Wien schon nicht mehr sehr angenehm, mittels Stadtplan ein Ziel zu finden und die meisten AMA-Mitglieder versuchten über einen europäischen Hafen so schnell wie möglich in die USA zurückzukehren. Der letzte Präsident Frank Davis aus Chicago warnte seine amerikanischen Kollegen im JAMA davor, vor Ende des Krieges (!) zum Studium nach Wien zu kommen, betonte aber, dass das Sekretariat der AMA geöffnet bleibe und an den Kliniken nur eingeschränkter Betrieb herrsche. Er bot in einem Schreiben an Bürgermeister Weisskirchner die Hilfe der noch in Wien verbliebenen US-Ärzte zur Arbeit in Lazaretten an. Gleichzeitig musste er sich in der Straßenbahn rechtfertigen, wenn er mit Kollegen englisch sprach. Er erklärte dann den Unruhestiftern, wie viele Millionen Leute auf der Welt englisch sprächen, ohne zu dem damaligen Feind Österreich-Ungarns England zu gehören. Noch 1915 brach Fl. Stuever, Ehrenpräsident der AMA, in der Neuen Freien Presse für sein Gastland eine Lanze und machte die Entente für das Geschehene  verantwortlich. Nichtsdestoweniger kam es zur ersten großen  Zäsur in den Beziehungen der Monarchie zu den USA, welche sich ab 1917 im Kriegszustand befanden.

3. Zwischen zwei Weltkriegen

Das Ende des 1. Weltkrieges erschütterte nicht nur Österreichs Staats- und Bildungswesen, auch die Gesundheitsversorgung wurde auf eine harte Probe gestellt. Frühere AMA-Lehrer wie Clemens von Pirquet, Edmund Nobel und Julius Tandler erwarben sich Verdienste um die Normalisierung in der Stadt, die nun Bundeshauptstadt geworden war. Gilchrist B. Stockton, der spätere Amerikanische Gesandte in Wien und Hilfsbeauftragte seiner Regierung, sollte später auf einer Independence-Day-Party der AMA in Hübners Kursalon darüber reflektieren  (AM1930, 340).

Die American Medical Association in Wien wurde 1921 von Dr. Gustav Baar aus Portland, Oregon unter der tatkräftigen Unterstützung von Fuchs, Tandler und Luger reorganisiert. Kamen bereits 1922 220 Amerikaner nach Wien um hier durchschnittlich zwei Monate zu bleiben, so waren es 1927 schon 700, welche mehr als 3 Monate verweilten. Zeitungen in den USA warben für den Standort, ein US$ wäre 1.000 Kronen wert und davon könne man in Wien einen Tag bequem leben.

Die Nationalitätenverteilung der AMA-Ärzte stellte sich in der Zwischenkriegszeit so dar, dass 75% aus den USA kamen, der Rest stammte aus Großbritannien, Kanada, Australien, Ägypten,  Südafrika, Indien, Palästina, China, Japan, den Philippinen, Hawaii und Brasilien.

Bereits 1922 gingen die beiden „Geburtshelfer“ der AMA Ernst Fuchs und Julius Wagner-Jauregg wieder an die Gründung innovativer Lehrveranstaltungen für Ausländer.      

Unter der Leitung  von Fuchs veranstalteten die 1. und 2. Augenklinik  mit Meller und Lindner auf Anregung von Dr. Edward Jackson aus Denver einen Kurs in Ophtalmologie. Mitwirkend waren Bachstez, Guist, Urbantschitsch, Fischer, Böck, Siebel sowie Dozenten anderer Fachbereiche, (etwa aus der Neurologie oder Pathologie).

Wagner-Jauregg organisierte ebensolche post-graduelle Intensivkurse in englischer Sprache mit 6- wöchiger Dauer. Zielgruppe dieser Kompaktveranstaltungen die im Mai und Juni mit insgesamt 204 Vorlesungen abgehalten wurden, waren Neurologen, Psychiater, Internisten und praktische Ärzte.  Zu den Vortragenden zählten Wagner-Jaureggs Nachfolger an der Neuropsychiatrischen Klinik Pötzl, ferner Marburg, Pappenheim, Stransky, Schilder, Alexander, Fuchs, Spiegel, Dattner, Gerstmann und Stein.

Ähnliche Intensivkurse mit chirurgischer Orientierung wurden dann auch von Hans Finsterer, dem späteren Vorstand der chirurgischen Abteilung und Präsidenten der AMS, zusammen mit dem Orthopäden Lorenz Böhler, dem Pathologen Hermann Chiari und den Gynäkologen Amreich und Kahr veranstaltet.

Die Kursangebote seitens der Kliniken liefen zum Teil noch weiter wie vor dem Krieg, es tauchten jedoch neue Namen auf - vor allem diese seien hier angeführt. Festzustellen ist eine Ausweitung auf viele außeruniversitäre Stätten, Gemeindespitäler und Laboratorien, selbst psychologische Praxen. Die minimal erforderliche Dauer der Ausbildung, um ein Zeugnis der Universität zu erhalten, betrug nun  4 Monate.   

Kursleiter der Zwischenkriegszeit 


3.1 Gründung des Austro-American Institute (AAI)  1926

Schon bald machte die steigende Nachfrage die AMA zu einer Erfolgsstory. Auch Angehörige von nichtmedizinischen Berufen begannen an dem transatlantischen Dialog Gefallen zu finden. So gründete der Wiener Erzieher Dr. Paul L. Dengler unter den Auspizien der AMA die Austro-American Foundation. Die Organisation, welche als „offspring“  der Medical Association bezeichnet wurde, bot schwerpunktmäßig Ausbildungsstipendien für österreichische Studenten in den USA an. Ex-Bundeskanzler Schober, Präsident Miklas, Nicholas Murray Butler (Nobelpreisträger von der Carnegie Stiftung), Dengler und der schon erwähnte verdiente US-Gesandte Gilchrist Stockton trafen sich 1931 in Wien. Über die Prominenz der AAI, welche vor dem 2. Weltkrieg auch sozusagen als Gegenbewegung der AMA österreichische Mediziner in die USA vermittelte, gibt uns die Liste der Gründungsmitglieder Einblick: Charlotte und Karl Bühler, RN Coudenhove-Callergi, Moritz Schlick, Richard Strauss, Clemens v. Pirquet und sein nach New York ausgewanderter Kollege Bela Schick.

3.2 Ars Medici wird offizielles Organ 1927

Zur Mitteilung von Statuten, Kursprogrammen und Organisatorischem war die AMA auf Druckschriften, sogenannte „blue books“, angewiesen, welche im Verlag Salzer in englischer Sprache gedruckt wurden. 1911 hatte Dr. Isaac Segel in Wien eine monatlich erscheinende Zeitschrift „Ars Medici“ gegründet, um die Forschungsergebnisse der Kliniken auch den praktizierenden Ärzten zugänglich zu machen. Nach dem Tod von Segel übernahm Max Ostermann das Blatt und führte ab 1922 eine englische Parallelausgabe ein, welche er auch an der Ostküste der USA und in London vermarktete. Schließlich kam es 1927 mit Dr. Leon Tiber, dem Präsidenten der AMA, zu einem Vertrag, und Ars Medici wurde zum offiziellen Organ der AMA of Vienna erklärt. Die Zeitschrift, etwa 50 Seiten stark, erschien 12mal im Jahr im Verlag von Ostermann an dessen Rheuma- Heilanstalt in der Spitalgasse 1a. Im die AMA betreffenden Teil finden sich jeweils die gewählten Funktionäre des Vereins, ferner sogenannte „orientation men“ (Kollegen, welche die Neuankömmlinge in den jeweiligen Fachbereichen unterstützten). Es gab auch die  „womens auxilliary“ (Gattinen, welche die Bibliothek verwalteten und Veranstaltungen  allgemeiner Art organisierten). Kurse und außerordentliche Veranstaltungen wurden angekündigt und Persönlichkeiten seitens der Fakultät und der USA vorgestellt. Das Kernstück waren wohl die Aufzählung der Ankommenden und der Scheidenden, sowie derer, die das Zeugnis erworben hatten und jener Auserwählten, welche nach insgesamt 3-jähriger Ausbildung einen „golden key“ erworben hatten. Natürlich durfte eine ausführliche Schilderung der üppigen Standardfeste der Amerikaner, des Unabhängigkeitstages und des Erntedankfestes (Thanksgiving) nicht fehlen. An illustren Orten begangen (Hofburg, Rathauskeller, Hübners Kursalon, Kobenzl, Kurhaus Baden, Hotel Radetzky in der Hinterbrühl und Schloss Laxenburg), fanden diese Feiern in Anwesenheit der österreichischen politischen und wissenschaftlichen Elite sowie der Vertreter der diplomatischen Corps der englischsprachigen Länder statt.

3.3 Cafe Edison, ab 1929 das neue „Headquarter“

1929 übersiedelte die AMA von der Schlösselgasse in das einen Block stadteinwärts  an der Ecke Alserstrasse/Wickenburggasse gelegene Cafe Edison. Das Obergeschoss des Cafes wurde großzügig für die Bedürfnisse der amerikanischen Ärzte ausgebaut. Es gab neben dem Sekretariat einen Schalter der Compass-Tours für Reiseangelegenheiten, eine Wechselstube, Postfächer für die Mitglieder und eine Fachbibliothek.  Dem steten Wechsel der Mitglieder wurde in diesem Jahr durch die Gründung einer Alumni-Association Rechnung getragen. Dessen Board of Governors - 14 Mann (sic) stark - hingegen wurde für 3 Jahre gewählt, um auch die Verbindung mit den USA zu gewährleisten. Tatsächlich betrug zu diesem Zeitpunkt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer  4 Monate, die der Funktionäre 6 Monate. Die AMA besaß das Monopol über die damals von der Fakultät angebotenen 400 englischsprachigen Lehrveranstaltungen.

3.4 Berühmte AMA-Mitglieder und Autoren

Oslers Wien-Kommentare stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Isaac Abt, ein Kinderarzt aus Chicago, verbrachte 1892 zwei Jahre bei Wiederhöfer in Wien und war der Autor von „baby-doctor“. Mary Roberts Rinehart begleitet ihren Gatten 1910 zu einem AMA-Kurs und verfasste das Buch „Stairway to the 7 stars“ (Siebensterngasse). Jane Abbott reiste mit ihrem Sohn Dr. Donald Abbott 1914 an die Donau und hielt ihre Thronfolgermord-Erlebnisse in einem Tagebuch fest. William Carlos Williams, der New Yorker Kinderarzt-Poet, verarbeitete seine AMA-Erfahrungen 1924 in „Voyage to pagany“. Alexander Mahan aus Kalifornien schrieb während seiner Wienaufenthalte in den Dreißiger-Jahren „Vienna of yesterday and today“ und „Famous women of Vienna“. Ralph A. Reynolds aus San Francisco, Präsident der AMA, war 1928 der Co-Author eines Buches über Julius Tandler - einem Lehrer der Wiener Medical Association. Dr. Paul Dudley White, Vater der Kardiologie in den USA, besuchte die AMA 1929. Dr. Carl Austin Weiss, der 1935 Governeur Huey P. Long in Louisiana erschoss, hatte 1928 in Wien einen Kurs für Ophtalmologie besucht.  Der Kalifornier Dr. Howard House, ein HNO-Arzt, der das Buch „For the world to hear“ schrieb, und Wallace Graham, später Leibarzt von Präsident Truman, waren 1938 Zeugen des deutschen Einmarsches. Willam James Mayo und Max Thorek bzw. sein Sohn Phillip vom International College of Surgeons waren den Wienern eng verbunden. An sie sollte bei der Neuerrichtung der Gesellschaft nach dem Krieg in Wien angeknüpft werden.

4. Die AMA im Großdeutschen Reich

Der Einmarsch der Wehrmacht und der Anschluss an das Deutsche Reich im März 1938 traf nicht nur die American Medical Association völlig unvorbereitet. Schon 1937 war der Vertrag mit der medizinischen Fakultät ausgelaufen und dessen Verlängerung wurde durch die personelle Umwälzung an der Universität verzögert. Noch im Frühjahr 1938 verkündete Ars Medici, dass der AMA-Betrieb von den Vorgängen nicht betroffen wäre und die anreisenden Kollegen nichts zu befürchten hätten. Dann im Juni folgte plötzlich die Ankündigung, Dr. Ostermann würde sein Blatt in die Schweiz  nach Basel verlegen, für die nächsten Monate enthielt es auch noch Mitteilungen  der Wiener AMA. Ostermanns Praxis in der Spitalgasse 1a wurde arisiert, die AMA musste Bulletins, die noch bis 1939 erschienen, bei E. Kainz vormals JB Wallishauser drucken. So wie Ostermann wurden zahlreiche Dozenten, deren Namen am Titelblatt der Ars Medici angeführt waren vom Unterricht ausgeschlossen (etwa die Hälfte von ihnen wird auf dem 2009 von der  Medizinischen Universität Wien veröffentlichten Weblog über die 1938 Vertriebenen genannt). Bei den Verhandlungen mit den neuen Funktionären scheiterte die AMA bei der Bitte um Erleichterungen für die US-Ärzte, welche verunsichert in immer kleinerer Zahl anreisten. Die von ihr vorgeschlagenen englischsprechenden Lehrer wurden zum Teil aus rassischen und politischen Gründen aus „öffentlichem Interesse“ abgelehnt. In einer Umorganisation wurde die AMA einer neugegründeten Medizinischen Akademie unterstellt und die Ausdehnung des Wiener Modells auf das gesamte Reich andiskutiert. Wenn der Betrieb über die Jahreswende 1938/39 weiterging und die US-Kollegen sich in Vorträgen die Konzepte der neuen Herrscher interessiert näherbringen ließen, so kam es doch auch zu Differenzen. In Wien traf ein Brief eines  angeblichen AMA-Mitgliedes, zur Zeit in London, ein, welcher wegen der Verfolgung der Ärzte durch die Nazis, die Dislokation der Wiener Organisation nach England forderte. Dr. Reynolds, vormaliger AMA Präsident lehnte die Forderung als übertrieben ab, die Wiener AMA verurteilte den Brief, der Autor wäre kein Mitglied, und distanzierte sich offiziell. Die Universitätsbehörden veranlassten 15 prominente Dozenten der AMA, sich gegen die Anschuldigungen in Form eines Manifestes zur Wehr zu setzen. Während der Sitz der AMA im Edison über 1939 erhalten blieb, verlieren sich zum Unterschied vom 1. Weltkrieg die Spuren rascher, obwohl die eingegliederte Ostmark und die Vereinigten Staaten erst im Dezember 1941 offiziell wieder einmal Kriegsgegner wurden.

Insgesamt sollen bis 1938 11.710 amerikanische Ärzte und 841 Kollegen aus anderen englischsprachigen Ländern sich in Wien weitergebildet haben (AM1938,191).

5. „Nach so vielen Jahren zurück in Wien“

So lautete 1953 der Titel eines Artikels im renommierten Time- Magazine. Berichtet wurde über einen gewissen Dr. John Appleby aus Bellevue, Ohio, welcher - eben in Wien dem Orientexpress entstiegen - sich in die neuen komfortablen Klubräume begeben hätte, um schon am nächsten Tag Wiens führendem Chirurgen bei einer Herzoperation zu assistieren. Appleby war nicht neu an der chirurgischen Klinik, er hatte schon 1935 bei der American Medical Association einen Fortbildungskurs besucht und sollte noch mehrmals wiederkommen. Im Juni dieses Jahres fand in Wien ein Kongress des International College of Surgeons statt, wobei Max Thorek, welcher diese Organisation 1935 in Genf gegründet hatte, sicher - in alter Verbundenheit zur Donaumetropole - nicht ohne Einfluss war. Hans Finsterer, erster Vize des Austrian Chapter des College, war neben Leopold Schönbauer, dem Vorstand der 1. Chir. Klinik, und Felix Mandl vom Franz Josefspital für die Organisation dieses der Gallenchirurgie gewidmeten Kongresse im Alten AKH zuständig. Auch Robert Oppolzer von der Poliklinik und Tassilo Antoine, Vorstand der 1. Frauenklinik, waren involviert.

Die Medizinische Akademie, erst 1938 gegründet, und 1950 von Schönbauer, dem Pathologen Hermann Chiari und dem Vorstand der 2. medizinischen Klinik reaktiviert, veranstaltete nun in Zusammenarbeit mit dem College und der medizinischen Fakultät Fortbildungskurse.

ZU dieser Zeit hatte Dr. Arthur Kline, der Arzt der US-Botschaft in Wien, erfolgreich versucht, an die Vorkriegszeit anzuknüpfen. Durch Verhandlung mit amerikanischen Stellen - er schrieb auch an den Senator Fullbright - namentlich dem European Recovery Program gelang es ihm, im Cafe Beethoven, einem repräsentativen Lokal bei der Universität vis-a-vis vom Landesgericht, den Sitz der  - wie sie nun genannt wurde - American Medical Society of Vienna zu eröffnen. Allerdings richtete sich, da die amerikanischen Kollegen Wien nicht so treu wie Appleby waren, der Fokus auf Ärzte aus  afro-asiatischen - und Entwicklungsländern. Für sie standen Stipendien für eine bis zu dreijährige Ausbildung zur Verfügung, nach welcher Zeit sie allerdings nach Hause zurückkehren mussten.

Arthur F. Kline, ein in Boston geborener Arzt, spezialisiert auf Ernährungswissenschaften, hatte österreichische Wurzeln und einen Teil des Studiums in Wien absolviert. Er war in London beim „Blitz“ (deutschen Luftschlacht gegen England) durch Bomben am Gehör geschädigt worden. Als heiterer und geschichtlich gebildeter Europäer (Kline war in Europa geboren) erwies er mit Charme und Einfallsreichtum der Wiener Fakultät einen großen Dienst. Fellinger schlug ihn deshalb für die Ehrenbürgerschaft der Universität vor und sprach von ihm als dem Außenminister der Fakultät. 1966 wurde er auf Vorschlag des Chirurgen Kunz  zum offiziellen Berater in Auslandangelegenheiten ernannt.

Ein Beispiel für sein taktisches Geschick waren die Ehrenverleihungen der schon erwähnten  „golden keys“. Schon 1908 hatte der damalige AMA Präsident I. Lange aus Chicago diese bei einem Wiener Goldschmidt für Absolventen, welche ein Zeugnis erlangt hatten und mindestens ein Jahr in Wien studiert hatten, anfertigen lassen. Bis 1939 waren über 4.000 „keys“ vergeben worden. Kline hatte beobachtet, dass Max Thorek schon zahlreiche solcher Schlüssel an einer Kette trug und verlieh ihm für seine Verdienste einen „honorary key“. Ebenso bedachte er LH Bauer, DH Murray, RT McIntyre, KA Meywe, FL Lederer, EL Comperes aus Chicago dem alten „hotbed“ der AMA  of Vienna ,AS Jackson aus Madison, DB Allmann aus Atlantic City, C. Rosser aus Dallas, HE Bacon aus Philadelphia und HE Aeyrs aus New York City für Verdienste um seine nunmehrige AMS. Arthur, das Herz der Gesellschaft,  nannte sich bescheiden „executive secretary“. Er intergierte wichtige Persönlichkeiten in den Vorstand, wobei nach dem 2. Weltkrieg die Österreicher ihre US Kollegen als Präsidenten ablösten (siehe anbei: Liste der Präsidenten der AMA/AMS).

Vor der Übersiedlung der AMS in ihr nunmehr letztes Quartier an der Ecke Höfergasse, Lazarettgasse anfangs der Siebzigerjahre stellte sich das Lehrangebot folgendermaßen dar. Zeugnisse wurden bei einer Aufenthaltsdauer von nicht weniger als einem Monat durch die AMS ausgestellt, nach drei Monaten durch die Universität. Kurzfristige Zuweisungen auf individueller Basis monatlich (Internship, Hospitat)konnten an die meisten Kliniken und Institute erfolgen.

Kursleiter der 2. Republik

Insgesamt wurden von Arthur Kline 37 Fach- bzw. Themenbereiche angegeben, innerhalb derer jeweils die engeren Kursthemen aufgeführt waren. Bei auftretenden Überschneidungen sind hier nur die Hauptvortragenden angeführt.

In den achtziger Jahren kamen viele „postgraduates“ aus dem Mittleren und Fernen Osten (besonders aus Pakistan), um mit ihrer Wiener Ausbildung ihre Facharztanerkennung im Heimatland zu erreichen. Die Frage der Qualität und der Anerkennung der Ausbildung wurde immer lauter. Aus diesen Gründen wurde beschlossen nach den gesetzlichen Vorschriften des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung einen offiziellen Universitätslehrgang einzurichten (GZ 65 881/11-15/84).

Eine Kommission der Fakultät unter Otto Mayrhofer, später Klaus Lechner, sollte ein Kursprogramm erarbeiten, das nach dem Modulsystem ein oder zwei Semester anbot, wobei nach einem akademischen Jahr ein Diplom der Universität verliehen wurde, wobei der Zugang allerdings auf nichtösterreichische Staatsbürger beschränkt wurde. Weitere Mitglieder dieser Kommission waren Haschke, Deecke, Kafka-Lützow, Pisa, Kotz und Meryn.

Die Wiener Medizinische Akademie und die American Medical Society führten die von ihnen Angeworbenen der Fakultätsorganisation zu. Die AMS stütze sich seit der Wiedererrichtung auf die riesige einschlägige Infrastruktur der USA, führte aber neben dem Diplomkurs, wie er jetzt genannt wurde, ihr eigenes Programm weiter. Die Zeugniskurse dauerten mindestens einen Monat. Ein Fellowship des AMS wurde zuerkannt, wenn zu dem Diplomkurs noch weitere 6 Monate absolviert wurden. In dieser Zeitperiode betrug die Mitgliederzahl etwa 6.000 Personen.

Die Teilnehmerzahl des jährlichen Diplomkurses selbst (fast alle absolvierten 2 Semester von Oktober bis Juni) betrug zwischen 100 und 160 Teilnehmer pro Lehrgangsjahr. Sie kamen aus 13-20 Ländern, wobei Pakistan, gefolgt von Bangladesh und Indien an der Spitze lag. Kurse wurden von 67 Institutionen, Universitätskliniken, Instituten oder Abteilungen von Krankenhäusern angeboten, deren Leiter Mitglieder des Lehrköpers waren. An der Fakultät war das Angebot fast flächendeckend. Es wurden Lehrpläne eingereicht, welche Unterrichtsziele, Dozenten, Vorlesungen und Übungszeiten enthielten und Schlussprüfungen abgehalten. Es genügt also ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis jener Tage. Alles lief unter penibler Aufsicht seitens der Kommission ab. Die beliebtesten Fächer waren Kinderheilkunde, gefolgt von Kardiologie, Gynäkologie, Dermatologie und chirurgischen Fächern. Die Verleihung der Diplome erfolgte durch den Dekan im großen Festsaal der Universität.

Hatten die Medizinische Akademie und die AMS schon bisher den ausländischen Kollegen bei der Beschaffung von Unterkunft, bei Visaangelegenheiten und Gesundheitsversorgung unterstützt, so kam es nach Einführung des Diploms zu einer Betreuung fast wie in Zeiten der alten AMA. Heurigenausflüge, Klubbetreuung mit Vorträgen ermöglichten auch den sozialen Kontakt zwischen den Ärzten aus fernen Ländern und ihren Wiener Peers. Mit dem unerwarteten Tod von Arthur Kline 1990 war zunächst noch nicht das Ende gekommen, jedoch war der Geist und die Erinnerung  der Vorkriegstradition mit vorwiegend Amerikanern als Mitgliedern war einer aktiven Rolle der USA als nunmehr bloßer Veranstalter gewichen, welche zuletzt zu Gänze von der Wiener Fakultät übernommen wurde. Und so ging fast hundert Jahre nach 1904 ein Stück Geschichte der Wiener Medizinischen Fakultät, die dann schon eine eigene Universität geworden war, zu Ende.

Mag. Prof. Dr. FX. Lackner, Wien

Franz.lackner@meduniwien.ac.at

 

Die wichtigsten verwendeten Ressourcen:

Wiener Klinische Wochenschrift

Wiener Medizinische Wochenschrift

Journal of the American Medical Association

Ars Medici. Englische Ausgabe bei Max Ostermann Verlag, Wien 1927-38 (UB Graz)

Blue Book. American Medical Association, Vienna  1909, 1912, 1928/30,1934/35 (Öst.Nat.Bibl.)

Vienna Medical Academy-One Hundred Years of Postgraduate Medical Education (hrsg. von F.Lackner&R.Voll), Universimed- Verlag 2000,Vienna.

Weiteres Material aus dem Nachlass von Arthur Kline und Literatur beim Verfasser.

Ansichten aus der Alser Vorstadt (http://www.alservorstadt.at/).