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Nachbericht zum Symposium "Die Gesellschaft der Ärzte in Wien: Blick auf eine wechselvolle Geschichte", Gesellschaft der Ärzte

Blick auf eine wechselvolle Geschichte

Aus Anlass des 185-jährigen Bestehens lud die Gesellschaft der Ärzte in Wien zu einer Festveranstaltung, bei der man die Geschichte wieder aufleben ließ und näher beleuchtete. Im Fokus stand die Zeit zwischen 1930 und 1960.


Wissenschaftlicher Austausch

Die Wurzeln der Gesellschaft reichen bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts. Ärzte trafen sich damals in kleinem, privatem Rahmen, um sich auszutauschen, Fachmagazine zu teilen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskutieren. Größere Versammlungen waren aus Angst vor revolutionären Ideen nicht geduldet. Langfristiges Ziel war, die Heilkunde als Kunst und Wissenschaft fördern. „Schon 1831, zur Zeit der ersten Cholera-Epidemie vor Wien, sprachen sich zwei Männer für die Gründung der Vereinigung aus, nämlich Franz Wirer und Ludwig Türkheim“, so die Präsidentin Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer.

Die offizielle Gründung des Vereins wurde 1837 genehmigt, zu Beginn waren 40 ordentliche Mitglieder vorgesehen. „Man beschäftigte sich in wissenschaftlichen Sitzungen mit pathologischer und experimenteller Anatomie, medizinischer Chemie und klinischer Medizin und diskutierte die wissenschaftlichen Erkenntnisse, nachdem im Vorfeld die Hürden auf dem Weg zur freien Versammlung im Dienste der Wissenschaft ausgeräumt worden waren“, erläuterte Volc-Platzer. Versammlungsfreiheit, wie sie heute selbstverständlich ist, gab es damals nicht. 1850 wurde Carl Rokitansky zum Präsidenten gewählt. Unter seiner Führung kam es zu einer Strukturierung und Schaffung einer Identität der Gesellschaft. Man widmete sich verstärkt der Naturwissenschaft, die Ära der Zweiten Wiener Medizinischen Schule begann. Carl Rokitansky, Joseph Skoda und Ferdinand Hebra stellten das „Dreigestirn“ derselben dar.

Prof. Dr. Georg Stingl sprach in seinem Vortrag über Pioniere biomedizinischer Forschung in Wien: Karl Landsteiner, Clemens von Pirquet und Klaus Wolff. „Diese drei haben Außerordentliches geleistet und waren weltberühmt. Die Gesellschaft der Ärzte war für sie ein wichtiges Forum, in dem sie ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse vortragen konnten.“


Schwere Verluste in der NS-Zeit

Unter dem nationalsozialistischen Regime kam es 1938 schließlich zur Auflösung des Vereins und kurz darauf zur Gründung der NS-Ersatzorganisation „Wiener Medizinische Gesellschaft“. Den Vorstand besetzten Mediziner mit NSDAP-Zugehörigkeit. „1934 waren zwischen 4.550 und 5.700 jüdische Mediziner in Wien tätig. Diese wurden systematisch verfolgt und vertrieben“, so die Historikerin Prof. Dr. Ilse Reiter-Zatloukal. „Es kam zu Säuberungen, Maßnahmen wie Berufsbeamtenverordnungen und Entrechtungen, zu denen auch der Approbationsentzug zählte. 1938 wurde die ‘erfolgreiche Entjudung des Ärztestandes‘ propagiert.“ Die jüdischen Mitglieder wurden zum Austritt gezwungen.  Zu den prominentesten Beispielen zählt Dr. Hans Popper, der das Land verlassen musste und in die USA emigrierte, wie Prof. Dr. Helmut Denk, ehemaliger Schüler Poppers, und Prof. Dr. Sepp Leodolter berichteten. Erst 1945 konnte die Gesellschaft der Ärzte neu gegründet werden und war in den Nachkriegsjahren der wichtigste Ort der wissenschaftlichen Kommunikation.

In den Reihen der Gesellschaft gab es auch später Mitglieder mit NS-Vergangenheit. Der Historiker Dr. Josef Hlade brachte als Beispiel Karl Hermann Spitzy, der von 1982 bis 1991 Präsident der GdÄ war. Um die kritischen Jahre 1930 bis 1960 historisch aufzuarbeiten, wurde ein vom Zukunftsfond der Republik Österreich gefördertes Forschungsprojekt in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien (Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin) gestartet. Die Jubiläumsveranstaltung Ende November bildete dafür den Auftakt. Am 14. Juni 2023 findet eine Folgeveranstaltung zu diesem Thema statt.

Die Videomitschnitte aller Vorträge können von Mitgliedern der Gesellschaft der Ärzte in Wien kostenlos angesehen werden
>> zu den Videos der Veranstaltung




Bilder: Stefan Burghart